Auf dieser Seite geht es ausnahmsweise mal nicht um den Baerler Busch, den Waldschutz ist nicht nur hier ein Thema!

Eine gute Freundin von mir ist momentan im Dannenröder Wald. Dort sollen ab Montag die Räumungs- und Rodungsarbeiten beginnen, und die Natur der neuen A49 weichen. Sie hat die Situation aus ihrer Sicht beschrieben, und ich finde, die Worte sprechen für sich. Wenn du auch der Meinung bist, ein 300 Jahre alter Mischwald ist wichtiger als noch eine Autobahn, kannst du z.B. diese Petition unterschreiben, die Infos an eure Freunde weiterleiten, Geld oder Sachspenden senden (z.B. ausrangierte Smartphones, Kletterausrüstung etc.) oder selbst dort vorbeischauen. Und wenn du magst, lies selbst:

Lieber Mensch!

Ich schreibe dir aus einem Gefühl der Traurigkeit und der Wut, der Hoffnung und der Leidenschaft, der Angst, der Liebe und der Verletztheit. Mein Zuhause ist gerade ein wunderschöner Wald in der Mitte von Hessen, der abgeholzt werden soll. Der Dannenröder Wald ist ein 300 Jahre alter Mischwald, Lebensraum für unzählige Lebewesen und außerdem in einem Trinkwasserschutzgebiet. Ich werde an der Stelle nicht weiter auf die Bedeutung eines solchen Waldes für das Leben auf der Erde, vor allem im Hinblick auf den Klimawandel schreiben, weil das Informationen sind, die leicht zugänglich sind und dir vielleicht schon bekannt. Ich möchte von den letzten Wochen erzählen, und was diese Zeit in mir und um mich bewegt hat.

Weshalb bin ich hier?

Der Danni ist seit 6 Monaten der Ort, an dem mein Alltag stattfindet, meine Beziehungen, meine Diskussionen, meine Pläne, Träume, Handlungen. Die Autobahn, die hier gebaut werden soll, wäre nach heutigem Recht nicht mal mehr legal, aber ein Gericht hat entschieden, dass zwingende öffentliche Interessen den Bau legitimieren. Ich bin hier, weil ich nicht zusehen will, wie die von Kapitalinteressen (größter Profiteur der Autobahn: Süßwarenhersteller Ferrero, ansässig in Stadtallendorf) geleitete Politik Entscheidungen trifft, die unsere Lebensgrundlage zerstören.

Der Protest hier ist lebendig, kreativ, leidenschaftlich, stark, divers. Hier kämpfen Fridays for Future Aktivist*innen und Autonome Seite an Seite mit NGOs und Bürger*innen der Bürger*inneninitiativen vor Ort, die teilweise schon seit 40 Jahren Widerstand gegen die Autobahn leisten. Mehrere Monate durften wir hier ausprobieren, wie es ist in einem Wald zu wohnen, in einer solidarischen, tauschlogikfreien (kein Mensch muss etwas geben, um zu bekommen, was er braucht), möglichst hierarchielosen Gemeinschaft zu leben, wie wir uns außerhalb des Konsumkarussells versorgen können, wie wir Beziehungen aufbauen können, die uns durch eine Zeit tragen, in der wir nicht wissen, wie lange unser Zuhause noch existiert, und in der wir non-stop mit der Absurdität des Systems konfrontiert sind.

Die Räum- und Rodungsarbeiten

Ich habe mich hier lange sicher und wohl gefühlt, aber seit dem Sommer wird unser Zusammenleben massiv vonseiten der Polizei eingeschränkt. Während die Besetzung im Danni immer größer wurde, fingen am 1. Oktober die Rodungen im Herrenwald an, einem Wald, der nur durch eine Bundesstraße vom Danni getrennt ist und von uns nicht so stark besetzt war. Einen Monat lang haben wir versucht, den Herri mit unseren Körpern zu verteidigen; in einem riesigen Tempo sind Strukturen entstanden, jeden Morgen haben sich Menschen spontan in die Bäume gesetzt und sich daraus räumen lassen. Einen Monat lang habe ich zusehen müssen, wie Baum für Baum gefallen ist, wie eine riesige Schneise der Zerstörung im Herri entstanden ist.

#Polizeigewalt

Ein Polizist hat mir gedroht, mein Handgelenk zu brechen, wenn ich nicht selber laufe.

Die Menschen, die sich hier für den Wald einsetzen, werden aufs härteste kriminalisiert. Ich habe an meinem eigenen Körper die physische und systemische Gewalt vonseiten der Polizei und des sogenannten Rechtsstaats erfahren. Wer seine Personalien nicht angibt (egal, ob bei einer grundlosen Personalienkontrolle, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat), kommt in die „GeSa“ (Gefangenensammelstelle).

Dort müssen wir uns komplett ausziehen und durchsuchen lassen. Oft müssen Menschen stundenlang in Zellen oder Gefangenentransportern ausharren und werden nicht auf die Toilette gelassen, bekommen kein Wasser oder eine Decke. Wer nicht kooperiert, also freiwillig den Wald verlässt, bekommt die Schmerzgriffe der Polizei zu spüren. Ein Polizist hat mir gedroht, mein Handgelenk zu brechen, wenn ich nicht selber laufe.

Menschen sitzen im Gefängnis, einfach weil sie dem Staat auf die Nerven gehen und zeigen, dass sie die Praxis der Zerstörung nicht ungestört geschehen lassen. Es macht mich unglaublich wütend, dass die Menschen, die in der Gesellschaft als „Freund und Helfer“ angesehen werden, blind Befehle befolgen, aber dabei eben keine neutrale, rein „ausführende“ (was schon schlimm genug wäre) Position beziehen, sondern aktiv physische und psychische Gewalt anwenden, um uns zu schikanieren, zu kriminalisieren, zu brechen.  

Die letzten Wochen

waren für mich unglaublich anstrengend. Der Kampf, den wir bis hier hin gekämpft haben, hat viele Früchte getragen. Die Themen Verkehrswende und Dannenröder Wald sind in den Diskurs rund um den Klimawandel vorgerückt. Aber auf einer emotionalen Ebene, auf der jeder gefällte Baum ein Verlust ist, war es ein Rückzugskampf, bei dem wir so viele unserer Gefährten verloren haben.  

In der letzten Woche haben uns die Castor Transporte eine Pause verschafft. Ich habe den wunderschönen Herbstwald genossen, mich wieder sicher gefühlt, mich mit Menschen über die Erlebnisse der letzten Wochen ausgetauscht, nochmal ganz intensiv gespürt, warum ich hier bin.

Und nun?

Ich hatte wirklich gehofft, dass wir es schaffen, den Wald zu retten. Aber ab nächster Woche fangen die Räumung und Rodung im Dannenröder Wald an. Ein riesiges Verbrechen an der Natur, an uns selbst. Ich habe große Angst, vor dem was kommt. Ich habe Angst vor der Gewalt, vor den Repressionen. Ich habe Angst um die körperliche und seelische Gesundheit meiner Freund*innen. Ich habe Angst um den Siebenschläfer, der bei uns im Baumhaus wohnt und der sein Zuhause und vielleicht auch sein Leben verlieren wird. Ich habe Angst vor dem Gefühl der Machtlosigkeit. Aber ich weiß, dass das hier gerade der beste Ort ist, an dem ich sein kann. Ich werde den Wald verteidigen, mit ganzem Herzen, so lange und gut ich kann. Und ich möchte dich einladen, das auch zu tun.

Unterstützen

Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Protest anzuschließen. 

  • Du kannst Menschen davon erzählen, die Debatte vorantreiben und Menschen für den Wald begeistern.  
  • Du kannst diese Petition unterschreiben: https://act.greenpeace.de/danni-bleibt 
  • Du kannst uns Material spenden, dafür z.B. in Kletterhallen nachfragen, ob sie ausrangiertes Klettermaterial spenden wollen.
  • Du kannst uns Geld spenden: 
    Konto: Spenden und Aktionen
    IBAN: DE29 5139 0000 0092 8818 06
    BIC: VB­MH­DE5FXXX
    Bank: Volksbank Mittelhessen
    Verwendungszweck: keine A49

Und vor allem kannst du vorbeikommen. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, sich vor Ort einzubringen. Das muss nicht unbedingt Polizeikontakt beinhalten. Es gibt eine Küfa (Küche für alle), die sich immer über helfende Hände freut, es gibt legale Demonstrationen, es gibt viele organisatorische Aufgaben, die übernommen werden möchten, es gibt Bau-Aufgaben im Wald,… Wenn du dir vorstellen kannst, dich räumen zu lassen, ist vielleicht wichtig zu wissen, dass es keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit ist, einen Baum/Plattform etc. nicht auf Aufforderung der Polizei zu verlassen. Nach oben hin ist das Aktionslevel offen. Es gibt ein Camp vor dem Wald, wo du schlafen kannst.

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wenn wir das Unrecht geschehen lassen, ohne uns zu wehren, wird es unbeachtete Normalität.

Ich stehe gerne für Fragen zur Verfügung, weiß aber nicht, wie gut ich ab Montag erreichbar sein werde. Ich würde mich freuen, dich im Wald zu sehen! Wenn du mich suchst: Ich heiße Findus und wohne in Zwischendurch.  

Jeder Mensch, der sich einbringt, verstärkt den Druck auf die Politik und erhöht die Chance, dass wir gehört und einbezogen werden in zukünftige Entscheidungen. Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wenn wir das Unrecht geschehen lassen, ohne uns zu wehren, wird es unbeachtete Normalität.